Logbuch der Lendermannen – Opferschafe
Dieses Versprechen wurde auf dem Winterthing, das im siebten Jahr während der Rauhnächte auf der Fjoreborg stattfand, vom versammelten Großen Heer bekräftigt: „Wir werden im kommenden Sommer in die Drachenlande zurückkehren und werden, noch bevor unsere Füße trocken sind, das Banner des Grauen Drachen in den Staub werfen!“
Auf diesem Thing betrieben die Lendermannen wiederum eine Taverne, um die durstigen Kehlen der Nordleute mit Erdbeerwein, Met, Bier und Schnaps feucht zu halten. Und wiederum zeigten sich die Nordleute des Großen Heeres freigebig, indem sie Silber und Kupfer als Bezahlung für ihre Getränke in die Truhe der Lendermannen warfen.
Hjassir erzählte, dass sie eine Hexe gefangen und gebannt hatten, die nachts auf den Dachgiebeln ritt, laut schrie und die Leute verfluchte. Sie hies Glennja, und lag nun sicher, tot und gebannt in einem der Kellergewölbe. Doch alle Nordleute sollten ein Auge offen halten. Nicht dass dieses Weib doch wieder aufsteht. …. Im Sommer nach dem Thing jedoch erzählte Hjassir später, dass der Körper der Hexe kurz nach dem Thing verschwunden war. Ob ihn jemand mitgenommen hatte oder ob sie selbst wieder zu leben erwacht war, konnte niemand sagen. Die Besucher und Bewohner von Fjoreholm sollten jedoch die Augen offen halten!
Die beschauliche Sauferei auf der Fjoreborg wurde nur gestört von einem offensichtlich aus dem Meer kommenden Ungeheuer, das immer wieder über einzelne Nordleute herfiel, die auf dem Weg in die Taverne waren, oder schwankend unterwegs waren, um ihre Schlafstätten zu suchen. Da die Lendermannen sich in gewisser Weise auch für die Sicherheit ihrer Gäste verantwortlich fühlten, ganz davon abgesehen, dass sie ihr Bier hätten selbst saufen müssen, wenn die Tavernengäste aus Angst vor dem Meeresungeheuer fern bleiben würden, ersannen sie eine besondere Methode der Jagd auf dieses Ungeheuer, welches angeblich ein Troll war.
Für diese Jagd benötigten die Lendermannen ein Opfertier, um das Ungeheuer anzulocken, damit sie es dann erlegen könnten. Der unerschrockene Arn Hanson bot sich an, als Schaf das Opfertier zu spielen, hängte sich ein weißes Schaffell um und hockte sich, laut „Bääähhh“ quäkend mitten in den dunklen Burghof. Hetman Leif-Erik Holm verbag sich mit gezogenem Schwert im Dunkel, um das Untier, bevor es über das Schaf Arn herfallen konnte, zu erschlagen. Arnulf, Ahasver und die übrigen Lendermannen hielten sich auf der Burgtreppe auf, um ebenfalls sofort eingreifen zu können.
Plötzlich aber erschien der Hersir des Harsumer Haufens, Durundan Swjeloff, sah das laut blökende Schaf, erkannte darin saftiges Hammelgulasch, senkte seinen Speer und wollte das Schaf abstechen. Da streckte Arn Hanson seinen Kopf unter dem Schaffell hervor und flüsterte „Durundan, bitte nicht abstechen. Ich bin’s doch, Arn Hanson!“ Durundan schüttelte nur verwundert den Kopf. Die Lendermannen auf der Treppe verkniffen sich das Lachen.
Nachdem Durundan und die Harsumer sich aber in den dunklen Burgeingang zurückgezogen hatten, um ebenfalls an der bevorstehenden Jagd teilzunehmen, wurde Arn Hansons unerwartete schauspielerische Begabung in der Rolle des Opferschafes erst wirklich deutlich. Zwischen vielen langgezogen leidenden „Bääähh“ und „Böööhhh“ flüsterte er immer wieder: „Ich bin ein jungfräuliches Schäfchen. Komm und nimm mich!“ Der Hetman wedelte dazu mit einem angebissenen Stück Wurst in der Luft herum, um das Untier durch den Geruch anzulocken. Die Lendermannen bemühten sich, beim Anblick dieser schauspielerischen Glanzleistung ihre Hosen nicht vor Lachen zu benässen. Das Untier ließ sich auch nicht blicken. Vermutlich hat es sich ebenfalls vor Lachen gebogen. Am nächsten Abend aber wurde die Jagd wiederholt, das Ungeheuer wollte tatsächlich über das vermeintliche Schaf herfallen und wurde erschlagen.
Ebenfalls auf diesem Thing betrieb Enodea, die Frau Hjassirs, ein kleines Badehaus. Leif Erik buchte sich sofort einen Platz, denn als Kenner wusste er, dass es kaum etwas besseres gibt. Er handelte den Preis bei Enodea sogar noch etwas herunter. Silber wechselte den Besitzer und es wurde per Handschlag besiegelt. Viel später erfuhr Leif Erik jedoch, dass Enodea seinen Platz danach an jemanden verkauft hatte, der mehr zahlt. Das empfand er als große Frechheit und Wortbruch, und wollte sie vor dem Thing anklagen, denn es ist sehr unhöflich die Frau des Gastgebers auf dem Thing zu erschlagen oder zu verschleppen.
Doch Hjassir und Aldifreida überredeten ihn das nicht zu tun. Leif Erik erhielt sein Geld zwar zurück, und konnte einen späteren teureren Platz im Zuber kaufen, aber die Ehrkränkung trägt er Enodea bis heute nach. Er schwor Enodea, dass sie diesen Streit später noch ausbaden würde. Und das meinte er wörtlich.
Erbost waren die Lendermannen aber über einen als Gast des Großen Heeres auf dem Thing anwesenden Elbenführer, der damit prahlte, diese Art der Jagd habe er ersonnen. Sie empfanden dies als Diebstahl ihrer Gedanken und wollten das Spitzohr dafür, falls nötig mit dem Schwert, zur Rechenschaft ziehen. Hjassir Fjoresson, der Gastgeber des Things, wies sie aber auf den Thingfrieden hin und beschwichtigte die aufbrausenden Lendermannen mit einigen Hörnern Gewürzwein.